Doch Marmor, Stein und Eisen brechen, Holz wird von Würmern, Sandstein vom Abgas, der große Wurf kühner Senatsplanung, manifestiert in Kreisel, Europacenter, Kongresszentrum etc. von der Kritik der ewig Gestrigen zersetzt. An diesem neuralgischen Punkte setzt das Projekt „Schoner (in) die Städte und Dörfer!“ an. Schoner schonen unser Bestes, Wertvollstes und gestalten es darüber hinaus noch schöner, als es bereits ist. Die unter dem Zepter Eberhardt Diepgens weißgewaschene Fassade unseres Schöneberger Rathauses erstahlt nun im festlichen Glanze eines progressiven, aber doch dezenten hellrosa-lila Styling, ergänzt von türkis bis ultramarin schillernden Blauvaleurs, die sich begegnen im vermittelnden Preussischblau, somit bewußt anknüpfend an gewachsene Traditionen unseres geschichtlichen Werdegangs. Die Krönung bildet eine zur Dekoration gewundene Schleife, die den Charakter eines geschmackvoll verpackten Geschenks an den Bürger nach oben hin abrundet. Die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche als Zeitzeugin der glänzenden hohenzollernepoche bewahrt nicht nur ihren zeitlosen Charakter im schonend angemessenen Mantel eines charmant, ja fast frivol geschwungenen Rüschengewandes, sondern kontrastiert im modisch intensiven Pink auch vorteilhaft zum kühlen Hellblau des sommerlichen Himmels über Berlin, dem phalloiden Charakter des Bauwerks einen irgendwie emanzipatorischen Softietouch vermittelnd. Die längst dahin gesunkene Spalterflagge über dem Brandenburger Tor wird durch das alle Deutschen vereinende Geschenkpapierdesign einer Warenhausverpackung vorteilhaft ersetzt. Die dynamische Gestik unseres Luftbrückendenkmals, wie eine petrifizierte Inkarnation unerfüllter Hoffnung in die Ferne gereckt, findet nach vielen Jahrzehnten ihre Ergänzung in einem tief empfundenen Violett, Farbe der unerfüllten Sehnsucht, ja endlich ihre Erfüllung in frei(heitlich) schwebenden Eiertroddeln am Kordelband. Auch unser Berliner Bär bleibt nicht vom Schoner verschont: Am Hals zugeschnürt von einem vertroddelten Bande, hat er sich ein rot schimmerndes Outfit zugelegt, das zunehmend in ein fahl schillerndes Chrysanthemenweiß übergeht. Unsere Kongresshalle endlich erhält ihren international aufgeschlossenen Charakter durch ein farbfroh stilisiertes Blütenmotiv aus Mitteltransvaal … in diesem Sinne als Anregung zu verstehen, möge über unseren Kontinent hinaus der Ruf nach Schonung ergehen – bis hin zu seiner Erfüllung im Kategorischen Imperativ 2: Verschont uns!
Text: Horst E. Hülse
Schoner-Collagen: Nina Krüger-Schmale
1 Ronald Laing, „Phänomenologie der Erfahrung“, Edition Suhrkamnp
2 Immanuel Kant, „Kritik der prktischen Vernunft“, Alfred Kröner Verlag, Leipzig