Von Pilar Serra Segura
Mit ihren Schonbezügen berührt die Künstlerin verschiedene Bereiche des menschlichen Lebens. Ihre Schoner verhüllen verschiedene Objekte des häuslichen Bereichs, Fundstücke – objets trovés – findet sie auf Trödelmärkten. Die Schoner verstecken und verschönern banale Objekte und erhöhen deren Wert. Darüber hinaus bringen sie einen gewissen Luxus in das tägliche Leben. Indem sie die Gegenstände vor unseren Blicken versteckt, erweckt sie unsere Neugierde und Begierde. Das Verbotene ist attraktiv, aufregend und erotisch. Die Absurdität der Schoner amüsiert die Künstlerin genauso wie das Handarbeiten der Hausfrauen.
Krüger-Schmale realisierte ihr erstes Werk: Waschbeckenschoner, motiviert durch ihre Nachbarin, die sie zu einer guten Hausfrau erziehen wollte. Ihr Impuls war, einen Schoner zu entwerfen, der kritische Blicke der Nachbarin abwehren und der gleichzeitig das Bad verschönern sollte. Nach dieser Idee entwickelte sie weitere Schoner wie den Wasserhahnschoner, den Pümpel – und den Hausfrauenschoner. Die Schoner für den häuslichen Bereich erinnern uns an verbotene Zimmer, die nur für Besuche und an Festtagen geöffnet wurden. Diese Schoner schützen vor Abnutzung und in ihrem Sinne verstecken sie die verschmutzten Gegenstände.
1986 realisierte Krüger-Schmale eine Reihe von „Architekturprojekten“ mit dem Anliegen, Schonbezüge über berühmte Denkmäler und Bauten von Berlin anzubringen. Entwürfe wie für das Haus der Kulturen der Welt oder das Schöneberger Rathaus. Auf diese Art transformiert sie die alte Hausfrauenkunst der Verschönerung des häuslichen Bereichs auf die heutige unpersönliche Großstadt. So verschönert sie mit Farben und Spaß die Traurigkeit des städtischen Lebens und darüber hinaus schützt sie die Bauten gegen die Umweltverschmutzung. Mit ihren anspielungsreichen Arbeiten, welche sich auf Geschichte und Politik beziehen, will die Künstlerin den Betrachter zum Nachdenken anregen. Dazu gehören die Arbeiten wie der Schoner der Ruine der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskriche und die Schoner für das Brandenburger Tor (1986: DDR-Fahrenverschoner und 1990 Festtagsschoner).
Von dieser Zeit an befasst die Künstlerin sich mit zwei Bereichen: Mit Ironie und Humor den privaten Bereich als männlich dominierte Welt der Passivität und Konformität und andererseits die „Außenwelt“, die Stadt und die Notwendigkeit der Reflexion der sozialen und politischen Verhältnisse. Konfrontiert mit dem Phänomen der Schonung hat die Künstlerin Strategien der passiven Schonung entwickelt, um die Objekte gegen schädliche Einflüsse zu schützen. 1990 erfindet sie die Methode des aktiven Schutzes mit ihren Werk Autozwangsjacke. Wie kann die Umweltverschmutzung aufgehalten werden? Wenn die Autos Dreck machen, fesselt sie! Das gleiche Konzept verfolgt sie mit ihren Schonern zum Thema Krieg und Gewalt – wie mit den Arbeiten Blinder Gehorsam und Soldatenzwangsjacke. Mit diesen Arbeiten verstärkt sich Ihre Kritik und verschwindet der Humor. Sie vergisst nicht, die aktuelle gesellschaftliche Situation wie die Gesellschaftsunterschiede, den Schönheitswahn, den Schlankheits- und Jugendkult und den Konsumzwang. Nina Krüger-Schmale lässt uns über das Diktat der Schönheit reflektieren, das die Medien dominiert und uns oft mehr beschäftigt als die wichtigen Probleme wie Krieg und Umweltverschmutzung. Das wird deutlich in dem Objekt Gesichtsschoner. Warum soll man so viel Geld für Schönheitscremes ausgeben? Besser schützt eine Gesichtsmaske! Oder in ihrer Arbeit Tischgesellschaftsschoner, wo alle gleich sind – egal welcher Mode oder Gesellschaftsschicht. Mit Blick auf das Thema Kitsch, der auf schlechtem Geschmack basiert, kritisert die Künstlerin das Konsumverhalten. Sie ironisiert mit ihren Arbeiten das menschliche Kitschbedürfnis. Die Arbeit Wilmersdorfer Witwe zeigt die Vorliebe der Künstlerin für das Leopardenmuster, welches sie in der merkwürdigen Mode der alten Berliner Damen zum ersten mal untersucht. Immer wieder sah sie in der Großstadt alte Damen in Nylonregenmänteln im Leopardenmuster. Hier nahm sie zwei Widersprüche in der Botschaft des Materials wahr: Das Tierfellmuster auf glitschigem Nylongewebe und der Ausdruck von Wildheit auf debilen Alten.
Nina Krüger Schmale machte verschiedene Aktionen. Zuerst ließ sie ihre Superlätzchen, ein Kinderlätzchen mit langen Ärmeln und Hosenarbeiten patentieren. 1986 machte die Fotografin Ricki Kalbe eine Fotoserie zum Thema: Dem deutschen Volke eine Torte, in der die Künstlerin mit ihrem Hausfrauenschoner posierte. 1988 führte sie einen Briefwechsel mit dem Berliner Senat, mit den Senatsstellen für Kultur, Bauen und Wohnen und Verkehr über die Schonung des Berliner Bären, dem berühmten Symbol für Berlin.
Auf der FBK Berlin machte sie 1995 eine Aktion mit ihrem Soldatenschoner Blinder Gehorsam. 1997 realisierte sie eine Mahlzeit mit ihrem Tischgesellschaftssschoner für 12 vor dem Altar der Matthäus-Kirche (Kulturforum Berlin). Ihre letzte Aktion war ein Auftritt im Sony-Center mit ihrem Totalschoner.
Alle ihre Werke sind Textilarbeiten, eine traditionelle Technik, die auch die folgende Dualität zum Ausdruck bringt: Die Künstlerin fände es sinnvoller, wenn viele Hausfrauen lieber für ihre Rechte kämpfen würden, anstatt ihre Zeit mit der Herstellung unnützer Handarbeiten zu vergeuden. Andererseits macht sie sich Gedanken über die Jugend, die nicht mehr in der Lage ist, sich auch nur einen Knopf selbst anzunähen und so erst recht Opfer des Konsums (Ex- und Hopp) werden.
In diesen Arbeiten finden wir u.a. traditionelle Techniken wie Häkeln und Stricken. Die Schoner sind mit Verschlüssen wie Reißverschlüssen, Knöpfen und Wäschebändern versehen, die es erlauben, sie für die Wäsche abzunehmen, und sie sind mit dekorativen Elementen wie Spitzen, Rüschen und Schleifchen verziert. Die Materialien sind voller Symbole und Assoziationen. Der Goldstoff reflektiert Festlichkeit, der Jeansstoff Alltäglichkeit und Erotik, der Synthetik-Jersey im Leopardenmuster Wildheit und Sex und der Camouflagestoff Kampf und Tarnung.
Diese Ausstellung zeigt uns Objektkunst, Schonbezüge voller Anspielungen auf die Konsumgesellschaft, das künstliche Leben, den Warenfetischismus, die Umweltverschmutzung und den Krieg. Eine Kunst, die vom Neo-Dadaismus beeinflusst ist und mit der Nina Krüger-Schmale eine Kitschästhetik und dekorative Gestaltung verwendet, um ein Gefühl von Kritik und Satire zu vermitteln, die aber auch voller Spaß und Humor ist.